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Jörg Widmer

Kaum eine Erfindung in den letzten 50 Jahren hat das Filmemachen so entscheidend verändert wie STEADICAM (übrigens ein Eigenname und tatsächlich mit „i“ geschrieben!)

 

Der Erfinder ist der Kameramann Garrett Brown, der damit seinen Wunsch verwirklichte, „Fahrten“ mit Kameras machen zu können, ohne einen Dolly benutzen zu müssen. Der erste Spielfilm, bei dem es zum Einsatz kam, war BOUND FOR GLORY (1976), neben ROCKY und WOLFEN wurde es vor allem durch Stanley Kubricks THE SHINING (1980) nachhaltig bekannt.

Durch STEADICAM wird die Kamera gewissermaßen entfesselt. Einerseits kann man die Mobilität der Handkamera erreichen, weil weder Schienen, noch ein glatter Untergrund benötigt werden, um die Kamera dollygleich ruhig zu bewegen (je nach Fähigkeiten des kameraführenden „Operators“). Im Prinzip kann die Kamera überall da zum Einsatz kommen, wo ein Mensch gehen kann (Treppen, steinige Untergründe, Waldwege mit Hindernissen, enge Räume etc.).

 

Gimbal

STEADICAM funktioniert ohne Kreiselstabilisatoren, nur durch Gravität (Erdanziehung). Entscheidend ist, dass die Kamera auf einem Rohr befestigt ist, das durch ein nahezu reibungsfreies kardanisches, also in drei Richtungen bewegliches Gelenk (englisch Gimbal) gehalten wird. Die Idee dabei ist, dass das Auge die Kamera nicht berührt, um keine Erschütterung auf diese Aufhängung zu übertragen. Deshalb wird mit Hilfe einer Videoausspiegelung das Sucherbild auf einen Monitor übertragen, sodass danach die Kamera geführt werden kann. Dieser und die notwendigen Batterien bilden das Gegengewicht zur Kamera auf der anderen Seite des Gimbals, sodass die Kamera ausbalanciert werden kann und sich selbst immer wieder aufrecht und gerade einrichtet. Dabei kann die Kamera oberhalb des Gelenks befestigt sein (High Mode) oder unterhalb (Low Mode), Stromversorgung und Monitor folgerichtig jeweils entgegengesetzt.

 

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Rohr, Gimbal, Kameraplatte

 

Die Ausspiegelung hat den Vorteil, dass das Auge nicht am Sucher „klebt“, demzufolge der Weg und Hindernisse aus dem Augenwinkel gesehen werden können. Deshalb kann man auch schnell rückwärts gehen, indem man sich immer wieder kurz der zu gehenden Strecke versichert oder sogar vorwärts gehen und die Kamera nach hinten richten.

 

Federarm

Befestigt ist die ganze Apparatur an einem Federarm, der die Stöße, die durch das Gehen übertragen werden, komplett aufnimmt und unschädlich macht. Die Einstellung dieses Armes ist dabei je nach Kameragewicht unterschiedlich. Durch die richtige Vorspannung der Federn wird erreicht, dass mit geringstem Kraftaufwand die Kamera angehoben oder abgesenkt werden kann.

 

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Der Federarm wird an der Weste befestigt

 

Die Weste

Das Gewicht lastet dafür an der Weste, die der Operator anhat: je nach Kamera 25 bis zu 50 Kilogramm. Deshalb sollte die Kamera je nach Zweck behutsam ausgewählt werden, um die körperlichen Strapazen zum Wohle des guten Ergebnisses in Grenzen zu halten.

Auf dem System können im Prinzip alle Arten von Kameras benutzt werden: Film 16 und 35 mm, Video digital und analog, sogar High Definition Video und IMAX Filmkameras kommen unter bestimmten Bedingungen in Frage. Die Kamera wird unter Gebrauch beider Hände so „geschwenkt“ (geführt), dass keine Stöße auf die Kamera übertragen werden.

 

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Die Weste

 

Fernbedienung

Auch der Schärfenassistent darf während der Aufnahme das sensible System nicht berühren, da dies sofort als Wackeln sichtbar wäre. Daher wird mit einer Funkschärfe der Focus eingestellt. Auf dieselbe Weise kann auch die Blende oder sogar ein Zoom gesteuert werden. Auch Kamera AN und AUS werden ferngeschaltet.

Der Arm kann auch unter Verzicht auf die Weste an einem so genannten Hard Mount befestigt werden, um das System auf einem Fahrzeug oder Westerndolly fest zu installieren. Damit werden stabilisierte Fahrten auch auf unebenen Wegen in höherem Tempo möglich. Bei großen Spielfilmen geht der Trend dazu, immer eine STEADICAM zur Verfügung zu haben. Kaum ein Fernsehspiel, bei dem nicht mehrere Tage STEADICAM mit kalkuliert werden.

Das System hat seinen stolzen Preis: Mit Schärfe müssen für eine filmtaugliche Ausrüstung insgesamt ab 50.000,- € kalkuliert werden. Seit Auslaufen der Patente gibt es einige Geräte, die einem ähnlichen Prinzip folgen und mehr oder weniger gut funktionieren. In der oberen Klasse sind dies die Systeme RIG von Chrosziel oder Artemis (ehemals Sachtler, jetzt Arri) in München oder PRO von George Paddock in Los Angeles.

 

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Die Steadicam wird vorsichtig mit einer oder beiden Händen geführt

 

Alternativen

Für kleine Videokameras, gibt es kleinere Geräte, die ähnlich funktionieren, aber auf den aufwändigen Federarm verzichten und dies gewissermaßen durch den menschlichen Arm kompensieren. Dass das niemals die Beruhigung herstellen kann, die durch den Federarm erzielt wird, kann man sich leicht ausmalen. Zudem kann kaum jemand das Gewicht am ausgestreckten Arm über längere Zeit halten. Stellvertretend sei hier STEADICAM JR genannt. Es gibt dabei keine Focuskontrolle außer den eingebauten Autofocus der Kamera.

Den kleinen wie den großen Geräten ist eine Eigenschaft gemein: extreme Windanfälligkeit. Dagegen kann man sich aber Drehen im Windschatten (z. B. von Lkw, einer Hauswand oder extra aufgestellter großer Flächen) schützen.

Auch wenn manche Kameraleute das glauben: Die motorischen Stabilisatoren, die lustigerweise auch Gimbal genannt werden, können nicht die gleiche visuelle Anmutung erzeugen, wie eine Steadicam. Sie haben stets eine gewisse Trägkeit, insbesondere schnelle Richtungsänderungen kann die Steadicam deutlich besser bewältigen. Und auch die vieldiskutierten Flugdrohnen wird man in geschlossenen Räumen oder bei O-Ton Dialogen wohl eher selten anwenden.

 

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