Leider sind unsere modernen Kamerasysteme noch immer deutlich von den Fähigkeiten des menschlichen Auges oder auch teilweise des analogen Negativfilms entfernt, wenn es um den Belichtungsspielraum oder auch Dynamikumfang geht. Das erfährt man schmerzlich, wenn Teile der Aufnahme schlichtweg zu hell, undifferenziert, nahezu technisch Weiß sind. Das ist nämlich in der digitalen Fotografie der Fall, da gibt es ab der 100% Sättigung nur noch ein Klippen, also das technische Weiß. Doch es gibt graduelle Unterschiede, deshalb sollte man eine solche Aufnahme nicht gleich aufgeben, sondern genauer überprüfen, welche Optionen es gibt.
Das kann den erfahrensten Kameraleuten passieren, doch was tun, wenn Aufnahmen drüber sind. Gibt es Rettung? Gerade bei Konzerten, Shows, Theater,- oder Opernaufführungen, wo die Beleuchtung häufig sehr dynamisch und unkontrollierbar und unvorhersehbar ist, kann es leicht passieren, das Teile des Bildes, insbesondere der Bühne, überbelichtet sind. Was kann man tun? Die Rettungsmöglichkeiten hängen natürlich stark davon ab, ob man in RAW aufgenommen hat oder bereits einen komprimierten Codec wie H264 oder H265. Letztere sind natürlich weniger mächtig als RAW.
Nur, dass wir uns nicht falsch verstehen: Eine überbelichtete Aufnahme ist überbelichtet. Aber wenn man sie dennoch verwenden möchte, gibt es ein paar Möglichkeiten, die Überbelichtung zu kaschieren.
Nun, hier ist schon mehrmals die Formulierung "Teile des Bildes" gefallen, das bedeutet, dass unsere vorgeschlagenen Maßnahmen nicht unbedingt auf das gesamte Bild angewendet werden müssen. Oft macht es Sinn, eine Maske der überbelichteten Teile mit weichen Kanten anzulegen und nur in diesen Bereichen zu korrigieren. Wenn sich die Kamera bewegt, muss entsprechend mit einer beweglichen Maske gearbeitet werden. Dazu gibt es in Premiere ein paar Tools. Zunächst sollte man versuchen, wenn möglich eine Maske zu legen, dort wo man tatsächlich korrigieren muss. Wenn diese Maske,- am besten Freihand, gelegt ist kann man aus den Videoeffekten die Lumetri Farbkorrektur auf die Videodatei ziehen. Zunächst gehen wir in den Bereich "Exposure":
In den Effekteinstellungen macht man dann ungefähr folgende Anpassungen:
Exposure:
Highlights: -100%
Whites: -35% bis -50%
Schwärzen ca. -1% runter
Kontrast evtl. auf ca. 0,5 erhöhen
All diese Einstellungen sind individuell und von dem Material abhängig, also unbedingt an einem kalibrierten Bildschirm die Einstellungen so anpassen, dass sie für das Material optimal sind.
Als nächstes kann man bei der RGB Kurve" (Weiß auswählen) unten bei den Schatten etwa an der Schnittstelle zum unteren Raster etwas runtergehen als dunkler werden. Dafür oben im oberen Viertel auch einen Punkt setzen und da die Kurve wieder begradigen.
Im Bereich "Creative" kann man nun die Sättigung etwas anheben, ca. 130,
Vibrance kann bei Bedarf auf 10 gestellt werden.
Bei einer künstlerischen Situation etwa bei einem Konzert mit farbigem Licht kann man auch mit den Color-Wheels in dem rechten für die Highlights deutlich in den Gelb/Orange Bereich drehen. So, dass die weiß überstrahlte Haut etwa eine Hautfarbe bekommt.
Mit den beschriebenen Maßnahmen kann man die eine oder andere Aufnahme durchaus noch retten, allerdings mehr auch nicht, sie wird nie die Brillianz und Kraft einer richtig belichteten Aufnahme haben, doch man wird sie möglicherweise verwenden können und das ist eine ganze Menge. In unserem Beispiel ist es sogar gelungen, noch etwas Zeichnung in den Himmel hinein zu bekommen.
Aber das gelang nur, weil in der Ausgangsaufnahme noch minimal Zeichnung im Himmel und auch in den Hauttönen vorhanden war. Wo gar nichts mehr da ist, kann man auch nichts mehr herzaubern. Dann hilft nur noch Retusche und Compositing. Da könnte man notfalls einen anderen Himmel einfügen oder mit dem Stempel-Tool andere Strukturen aus nicht überbelichteten Bildteilen einfügen. Das hängt natürlich immer vom konkreten Fall ab, wie bewegt die zerstörten Elemente sind. Natürlich bieten auch die anderen Schnittprogramme ähnliche Einstellmöglichkeiten an. Auf jeden Fall sollte man nie zu schnell aufgeben...