Was ist ein guter Film?
Bei der Unmenge an Filmen, die jedes Jahr entstehen, muss man sich die Frage stellen, ob jeder Film auch unbedingt gut sein muss. Die Frage an sich birgt natürlich bereits ein Grundproblem in sich, nämlich die Folgefrage, ob es überhaupt Kriterien und absolute Wahrheiten darüber gibt, wann ein Film "gut" ist. Ist es lediglich eine individuelle Geschmacksfrage oder hängt es von der Position des Zuschauers ab, wie ein Film ankommt?
Für wen muss der Film denn überhaupt "gut" sein? Für den Zuschauer, der sich nach einer anstrengenden Arbeitswoche im Kino bei einem heiteren Film, der ihn/sie für 90 Minuten aus der Realität wegbeamt? Oder jene Zuschauer, die sich von einem Film erhoffen, maximal emotional berührt zu werden, oder jene, die intellektuell von einem Film Denkanstöße und neue Erkenntnisse erwarten. Oder ist ein Film nur "gut" wenn Filmtheoretiker in diesem vielschichtige Erzählebenen und filmsprachliche Besonderheiten entdecken?
Geschmack & Qualität
Was wollen letztlich die Sternchen oder Punktbewertungen auf einschlägigen Portalen uns sagen? Welche Verbindlichkeit hat es, dass irgendwer, im schlimmsten Fall eine anonyme Menge an Internet-Besuchern irgendwelche Bewertungen vorgenommen hat? Der Begriff "Schwarm-Intelligenz" hat mit Intelligenz bedauerlicherweise am Wenigsten zu tun. Professionelle Filmkritiker sind sicherlich eine andere Referenz, als solche Punktesysteme, doch auch diese tragen höchst individuelle Kriteriensysteme in sich und sind nicht frei von augenfälligen Fehlbeurteilungen.
Man kann vielleicht sagen, dass bei einem schlechten Film die Schwächen viel mehr auffallen, als bei einem guten Film, der ja durchaus auch Schwächen haben kann. Wichtig ist auch, ob ein Film es schafft, Zuschauer in seinen Bann zu ziehen und deren Interesse oder besser noch deren Empathie bis zum Ende aufrecht zu halten. Und natürlich sollte ein guter Film in den Zuschauern Emotionen auslösen, Kino und Emotion gehören einfach zusammen.
Betrachten wir die Sicht der Verleiher, Förderer und Produzenten, dann ist ein Film dann gut, wenn er über verkaufte Kinotickets oder Rechteverkäufe in viele Territorien möglichst viel Geld einspielt.
Wenn man sich die Hitlisten im Kinoeinspiel anschaut, so finden sich hier in aller Regel eher einfach gestrickte Filme, häufig Actionfilme oder Komödien und genau so häufig haben diese eher einfältige Storylines. Das Phänomen ist in fast allen Ländern so zu beobachten, anspruchsvolle oder gar Arthouse- Filme landen so gut wie nie in den Hitlisten. Liegt das am Publikumsgeschmack?
Krakauers Marktbeobachtung von 1928
Hatte Filmtheoretiker Siegfried Krakauer Recht, als er in seinem Aufsatz "Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino" die jungen, zumeist weiblichen Angestellten als Hauptentscheider eines Kinobesuchs Ende der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts identifizierte?
Jedenfalls hat Siegfired Krakuaer damals schon die wichtigen Funktionen des Kinos benannt:
Kino soll ablenken vom harten Arbeitsalltag.
Es soll die unterdrückten Wünsche und Sehnsüchte der Zuschauer stellvertretend erfüllen.
Es soll die Zuschauer ablenken von den Problemen in ihrer aktuellen Gesellschaft.
Kino soll den Status Quo, wie die Gesellschaft lebt, als richtig bestätigen und Annomalien ächten.
Krakauer ging sogar so weit, zu sagen, dass die politische Führung interessiert daran sei, "das Volk dumm zu halten, um die eigene Macht zu behalten". Gerade die Armen, die sozial Schwachen, die eigentlich keine wirklichen Chancen für Ihr Leben hätten, sollten, so Krakauer, durch die Traumwelten des Kinos ruhig gestellt werden.
Stellvertreter
Der Nouvelle Vague Regisseur Francois Truffaut hat einmal gesagt, in Kinofilmen würden schöne Menschen schöne Dinge tun. Einige Regisseure vertreten die Theorie, dass die weiblichen Zuschauer sich in den Hauptdarsteller, die männlichen Zuschauer sich in die Hauptdarstellerin verlieben können sollten.
Beide Auffassungen decken sich ein wenig mit Krakauers Vermutung, dass in Filmen Wünsche und Sehnsüchte der Zuschauer stellvertretend ausgelebt werden. Gleiches gilt natürlich auch für Ängste und Phobien, die Protagonisten von Horrorfilmen erleben vielleicht auch nur für die Zuschauer ihre Schrecken.
Vielleicht gefallen uns jene Filme besonders gut, in denen wir ein Stück von uns besonders gut repräsentiert gefunden haben? Während also die Bewertung neuerer Filme doch eine recht unsichere und individuelle Angelegenheit ist, so kann man da mit vielen Jahren Abstand viel sicherere Aussagen über Filme der Filmgeschichte treffen. Unsere Liste mit Empfehlungen aus der Filmgeschichte hilft hier garantiert weiter, wirklich starke Filme anzuschauen.