Children of the Prophet
Daten |
Children of the Prophet Österreich 2006 REGIE: Sudabeh Mortezai TON: Nezam Kiaie |
Wettbewerb
Regie: Sudabeh Mortezai
In ihrem ersten langen Dokumentarfilm „Children of the Prophet" begleitet die Regisseurin Sudabeh Mortezai vier Gruppen von Protagonisten durch das zehn Tage dauernde schiitische Trauerfest Moharram.
Alljährlich wird bei diesem religiösen Zusammenkommen dem Märtyrertod vom Enkelsohn des Propheten Mohammed, dem Imam Hossein, gedacht. Dieser, so die persische Geschichtsschreibung, hatte dem herrschenden Kalifen Yazid den Treueid verweigert und war mitsamt Familie und treuen Gefolgschaft in der Wüste von Karbala von dessen tausendfach größeren Armee niedergemetzelt worden. Die Festlichkeiten finden ihren Höhepunkt am letzten Tag, dem Ashura, der den Jahrestag der Schlacht von Karbala darstellt und an dem der Imam den Erlösertod gestorben ist.
Die Geschichten der einzelnen Protagonisten sind eingefasst in einer Rahmenhandlung, durch die ein Derwisch führt. Er bedient sich der volkstümlichen Kunstform des Pardekhani und „liest" die tragischen Geschehnisse aus der Vergangenheit von einer Leinwand ab. So ist immer ein chronologischer Übergang gefunden zu den einzelnen Protagonisten, die Mortezai aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und mit unterschiedlicher Religiosität auswählt. Sie spiegeln nicht die Stereotypen wieder, die hinlänglich aus der medialen Berichterstattung bekannt sind. Der Regisseurin wird von den Menschen eine Nähe zugestanden und Offenheit entgegengebracht, die dem Zuschauer so einen intensiven und direkten Blick aus verschiedenen Perspektiven hinter die Kulissen dieses Fests in die Gesellschaft ermöglicht.
So sehen wir den Blumenhändler Milad aus einem kleinen Vorort Teherans. Er ist einer derjenigen, die das 200 Kilo schwere Metallkonstrukt, den Alam, wenige Schritte allein tragen werden. Eine ehrenvolle Aufgabe um die persönliche Stärke zu zeigen. Und zu Ehren des Imam Hossein, in der Hoffnung auf seine Hilfe im Leben. Da sind die Jugendlichen Bijan und Mani, die nicht aus religiösen Gründen am Fest teilnehmen, sondern wie alle jungen Leute sich vor allem treffen und Straßenfeste feiern wollen. Wegen der Geschlechtertrennung in der islamischen Welt bietet das Fest eine der wenigen Möglichkeiten im Jahr dazu. Mahnaz, eine selbstbewusste Frau in beruflicher Selbstständigkeit, kontrastiert das Image der moslemischen Frau im schwarzen Umhang. Wie viele hat sie ein Gelübde abgelegt und es sich zur Aufgabe gemacht, das geweihte Essen Nazri zu kochen und an Arme, Bekannte und Freunde zu verteilen. Sie hofft wie alle, dass es Segen bringt. Im Kreise ihrer Freundinnen wird mit viel Humor das Fest vorbereitet und über Religion, Tradition und Geschlechterrollen gesprochen. Und das ohne Kopftuch. Auch eine Gruppe junger Männer eines Trauervereins wird in dieser Zeit begleitet. Sie fühlen sich ihrem Glauben tief verpflichtet und wollen die Traditionen ihrer Vorväter weitertragen. Im Herzen Teherans trauern sie in einer kleinen Moschee und leben ihre Religiosität mit offener Gesinnung und Toleranz. Gegen Extremisten wehren sie sich und verurteilen einen übersteigerten Religionsanspruch, der letztendlich ein schlechtes Licht auf die eigene Religion wirft.
Der Filmemacherin ist es gelungen, ein vielschichtiges und facettenreiches Bild der iranischen Gesellschaft einzufangen und widerspricht dem politisch und ideologisch aufgebauten Feindbild über die islamische Kultur in den Medien. Aus unverzerrtem Blickwinkel gewährt Mortezai durch ihre Protagonisten ungewohnt intime Einblicke in das Leben der Menschen im Iran und zeigt ein anderes, aufklärendes Bild von Menschen, die zwischen Tradition und Moderne wohlweislich zu unterscheiden wissen.
Gesehen von Roderik Helms