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Das Leben ist nichts für Feiglinge 98 min. Deutschland 2012 REGIE: André Erkau DARSTELLER: Wotan Wilke Möhring, Helen Woigk, Christine Schorn, Frederick Lau, Rosalie Thomass, Edin Hasanovic |
Regie: André Erkau
Kinostart: 22. November 2012
„Zwanzig Prozent aller Menschen sterben durch Unfälle", weiß Kim. Dieses Wissen macht es jedoch nicht leichter, dass ihre Mutter zu diesen zwanzig Prozent gehört. Die Beerdigung erträgt die Fünfzehnjährige nur mit Kopfhörern, die sie mit Goth-Sound überschwemmen. Zu Hause sieht es nicht viel anders aus. Ihr Vater Markus wird nicht mit dem Tod seiner Frau fertig, er lebt in der Vergangenheit. Da hilft es auch nicht viel, dass seine Mutter Gerlinde für ihren Sohn und seine Tochter kocht. Kim zieht sich immer weiter zurück. Sie verliebt sich in Alex, der die Schule abgebrochen und einfach alles stehen und liegen gelassen hat, wonach auch ihr zumute ist. Als Alex wegen einer Schlägerei von der Polizei gesucht wird, braucht es daher nicht viel Überredung. Die beiden packen ihre Sachen und verschwinden nach Dänemark. Aber Markus will seine Tochter nicht auch noch verlieren und so macht er sich mit seiner Mutter und ihrer lebensfrohen Pflegerin auf Richtung Norden, um Kim wiederzufinden und sich seiner eigenen Trauer zu stellen...
Die Geschichte an sich bietet zwar keine allzu großen Überraschungen, wurde aber für eine deutsche Tragikomödie von Regisseur André Erkau sehr im positiven Sinne ungewöhnlich umgesetzt. Schon die mit Kims Gothic-Musik unterlegte Beerdigung zu Filmbeginn ist ein sehr starker Moment. Überhaupt spielt Musik in dem Streifen eine große Rolle: Auf der einen Seite von Kims finsterem Musikgeschmack getragen, auf der anderen Seite von einem teilweise minimalistischen Arrangement, bekommt der Film durch diese Instrumentalisierung eine sehr eigene Stimmung. Dazu trägt auch der mitunter lakonische Dialog bei. Viel von dieser Lakonie fällt Helen Woigk zu, die hier ihr Kinospielfilmdebüt gibt und Kim mit deren Einzelgängertum und Trauerbewältigung vor allem stimmlich sehr gut auf die Leinwand zu bringen weiß. Wenn sie einen ihrer zahlreichen Fakten seltsam teilnahmslos rezitiert, können sich einem schon die Nackenhärchen aufstellen. Ebenfalls wunderbar spielt Christine Schorn als die eigenwillige Gerlinde Färber und Großmutter von Kim. Sie begegnet selbst ihrer eigenen Tragödie noch mit trockenen Sprüchen und ist die Herzlichkeit, die Kim bei der Verarbeitung des Todes ihrer Mutter auf der Familienseite fehlt. Auch Gerlindes Beziehung zu ihrer Pflegerin Paula ist schön gemacht. Die mehrfach ausgezeichnete Rosalie Thomass als Paula bringt einen auch im Angesicht des Dramas zum Schmunzeln. Dagegen ist Frederick Lau in der Rolle des Alex eher weniger beeindruckend. Auch Wotan Wilke Möhring spielt Markus' Trauer und Verweigerung gegenüber der Realität zwar gut, ist aber darüber hinaus ein wenig zu eindimensional vor allem was den Schluss des Films angeht. Eine besondere Erwähnung verdient jedoch Kameramann Ngo The Chau, der einige beeindruckende und für den deutschen Film ungewöhnliche Bilder einfängt, besonders von der Landschaft Dänemarks und in einigen Schlüsselmomenten des Films in denen er tatsächlich spürbar die Emotionen der Charaktere in Bildsprache übersetzt. Das Ende des Films ist keine Überraschung und die unnötige Verfolgungsjagd mit dem Auto über einen Campingplatz hätte man sich auch sparen können, aber es schadet dem Streifen nicht wirklich, immerhin wünscht man seinen Charakteren auch diesen friedvollen Ausgang der Geschichte.
Fazit: Trotz der nicht besonders originellen Geschichte (die durch die Buchvorlage schließlich auch ein gutes Stück weit vorgegeben war) ungewöhnlicher deutscher Film, der vor allem durch seine eigenwilligen von den Darstellern gut in Szene gesetzten Hauptcharaktere und durch die besondere Musik- und Bildgestaltung besticht. Eine Tragikomödie, an deren Ende der Schmalz glücklicherweise nicht überwiegt und die die richtige Balance zwischen Lachen und Traurigkeit findet. So etwas sieht man nicht oft aus Deutschland, will man aber in Zukunft ruhig öfter haben.
Gesehen von Jannis Brunner