Häufige Schwachstelle
Eines der größten Probleme bei Auftragsfilmen sind unfertige Drehbücher oder anders ausgedrückt Autoren, die ihre Hausaufgaben bei ihren Drehbüchern nicht machen. Regelmäßig beklagen Filmteams, Schauspieler und Produktionen, dass die Drehbücher von Auftragsproduktionen viel zu spät fertig werden. Oft genug sogar erst kurz vor dem Drehbeginn, was die Drehplanung massiv behindert und unnötige Kosten verursacht. Dabei wären die Vorlaufphasen eigentlich ganz okay, das Problem liegt oft woanders.
Es ist immer wieder zu beobachten, wie Drehbuchautor*Innen Drehbücher als fertig abgeben, die sie nicht einmal durchgestoppt haben. Drehbücher für 90 Minuten Filme, bei denen die sogenannte Vorstoppzeit bei 72 Minuten liegt, sind keine Seltenheit. Das heißt nichts anderes, als dass die Handlung für die geplante Filmlänge nicht ausreicht und weil die Sendelänge (meist 89 oder 90 Minuten) feststehen, künstlich gedehnt werden müsste. Das macht Filme fast automatisch langweilig. Oder Drehbücher, bei denen die Bögen, die Handlung die innere Logik nicht stimmen, sind häufiger als man denkt.
Pseudo-Überarbeitungen
Und wenn dann frühzeitig, oft sogar 10 Monate vor Drehbeginn in Besprechungen mit den Drehbuchautoren, der Regie, der Produktion und Fernsehredaktion ganz klare Punkte benannt und Vorschläge gemacht werden, wie man das Buch überarbeiten muss, trennt man sich wieder und verabredet sich, eine neue Fassung mehrere Monate später erneut zu diskutieren. Eigentlich sind sich scheinbar alle einig, dass es einer massiven Überarbeitung bedarf.
In der nächsten Fassung, die diesen Namen eigentlich nicht verdient, wurden dann aber nur winzige, kosmetische Änderungen vorgenommen, wo dringend neue Ansätze gefragt waren. Die Autoren tun dann in der nächsten Sitzung völlig überrascht, dass das Buch so nicht abgenommen wird, obwohl sie praktisch keinen der notwendigen Änderungsvorschläge umgesetzt haben.
Hier macht sich eine gewisse Eitelkeit oder ein falsches Überlegenheitsgefühl breit, welches den resultierenden Filmen großen Schaden zufügt. Oft ist zu beobachten, dass Drehbuchautor*Innen sich bei Kritik persönlich angegriffen fühlen, dass sie sich dem restlichen Entwicklungsteam extrem überlegen fühlen und dass ihnen eigentlich jeglicher Abstand von ihrer eigenen Drehbucharbeit fehlt. Oft ist es auch schlicht eine gewisse Schutzhaltung, weil sie bereits mit anderen Drehbuchprojekten mehr als ausgelastet sind oder schlicht weder Lust noch Zeit haben, größere Überarbeitungen vorzunehmen.
Statt radikale Änderungen, welche die inhaltlichen Probleme lösen würden, umzusetzen, verteidigen sie lediglich ihre Ideen aus der ersten Fassung. Überhaupt ist es auffällig, dass häufig mehr Energie in die Verteitigung des Status Quo gesteckt wird, als in die Überlegungen, wie man Verbesserungen herbeiführen kann.
Falsche Haltung
Produzenten und Redakteure tun sich schwer damit, Drehbuchautoren nachträglich Ko-Autoren zur Seite zu stellen oder die Autoren ganz auszuwechseln. Denn fast immer bedeutet das zusätzliche Kosten und je nach Vertrag auch juristische Auseinandersetzungen. Manchmal versuchen Sie, in den Buchbesprechungen die gravierenden Probleme herunter zu spielen, verlagern deren Lösung gerne auf die Regie, die Schauspieler und das Team,- Hauptsache das Projekt an sich und der Drehbeginn werden nicht gefährdet. Dabei wissen alle eigentlich sehr genau, dass man aus einem schlechten Drehbuch nie einen guten Film wird machen können.
Oft genug akzeptieren Produktion und Redaktion notgedrungen schlechte Drehbücher, um die Produktion nicht gänzlich platzen zu lassen. Die Verträge, die in Deutschland oft nach Muster der Kontrakt 18 Verpflichtungen gestaltet sind, räumen den Autoren eine Allmacht ein, die einem solchen kreativen und damit auch unsicheren Arbeitsfeld überhaupt nicht angemessen ist. Und die keinen Ausstieg erlauben, selbst wenn die Autoren miserable Arbeit abliefern.
Ja, zugegeben, es gibt geniale Autoren,- aber sind wirklich alle Drehbuchautoren genial, dürfen sie sich wirklich selbst bei fehlerhaften und sichtbar schwachen Drehbüchern auf ihre Genieposition zurückziehen? Statt offensichtliche Probleme in einem Buch anzupacken und zu lösen, nur minimale Änderungen anbieten und ansonsten das Problem einfach aussitzen, bis der Drehtbeginn alle dazu zwingt, mal wieder ein unfertiges, fehlerhaftes Drehbuch mehr zu verfilmen? Selbst wenn man schon viele Drehbücher geschrieben hat und in der Vergangenheit sogar Auszeichnungen erhielt ist das keine Garantie, dass alle Bücher gelingen.
Weitverbreitetes Problem
Es gibt durchaus viele Drehbuchautoren, die Ihre Drehbücher erst herausgeben, wenn diese stark und stimmig sind, oder diese so überarbeiten, dass es ein funktionierende Drehfassung gibt, aber leider teilen nicht alle Autoren diese Haltung. Die Zahl der Produktionen bei denen sogar Drehstarts nach hinten geschoben werden mussten, weil die Drehbücher noch immer nicht drehfertig waren, ist erstaunlich hoch und sie steigt. Ebenso die Zahl der Drehbücher, bei denen Regisseure in oft unbezahlter Arbeit eigene Regiefassungen geschrieben haben um überhaupt drehen zu können.
Gute Drehbücher zu schreiben, ist eine schwere Aufgabe und man kann immer auch Gefahr laufen, sich in Plots zu verirren oder keine Lösungen für auftauchende Probleme zu finden. Wer sich fragt, weshalb manche Filme misslingen, sollte sich zurerst die Drehbücher anschauen. Was kann helfen? Vielleicht ein offenerer Umgang mit den Stoffen und den Büchern, klarere Vorgaben, das konkrete Benennen von Problemkreisen und vor allem auch das konkrete Überprüfen der besprochenen und notwendigen Veränderungen. Und vielleicht auch ein wenig der gesunde Menschenverstand, dass kein Autor in einem Jahr drei, vier Drehbücher qualitätvoll schreiben kann.