MC18 NOV17x2

Open menu

Social Media Icons Shop 55

 

Fett, fett, fett

 

Dreharbeiten2000

Dreharbeiten

 

Wohin man auch schaut: An allen Ecken entstehen Newcomer- oder Bewerbungsfilme mit beachtlichem Aufwand. Da werden 20- bis 30-Mann/Frau-Teams gebildet, werden LKW angemietet, werden Sponsoren aufgetrieben, wird geplant, motivgesucht, aufgelöst und häufig auch nur "Wir drehen einen Film" gespielt.

 

Was ein guter Film wirklich braucht ist nicht in eine Standardformel zu quetschen. Aber das große Equipment, der möglichst hohe Kran, die langen Schienen, der tolle Dolly und die dicken 35mm-Adapter, um das kleine Mini-DV wie 35 mm aussehen zu lassen, gehören sicher nicht an die erste Stelle einer idealen Filmrezeptur. Wer das Equipment vor die Geschichte, die Kraft der Schauspieler und die Bildgestaltung stellt, hat im Grunde genommen nicht verstanden, wo sich die magischen Momente beim Film wirklich abspielen.

 

Mattschwarz lackiertes Selbstbewusstsein

Oft genug wird unendlich viel Zeit darüber diskutiert, welcher Dolly zwingend gebraucht, welche Scheinwerfer unerlässlich sind, aber über die Dramaturgie und die Inhalte der Filmgeschichte schweigt man mit professionellem Pokerface. Seltsamerweise sind es oft gerade die Nachwuchskameraleute, die einen technischen Overkill einfordern, als gelte es, durch möglichst teures und professionelles Equipment die eigene Professionalität zu untermauern. Je höher der Geräteberg, desto stärker das Selbstwertgefühl. Wie oft wird völlig unmotiviert in Szenen gefahren, werden Kranfahrten eingesetzt, wo sie nichts zu suchen haben, nur um irgendwie mit dem großen Kino mithalten zu können, auch wenn man die Gestaltungsmittel gar nicht reflektiert hat?

 

Wirklich erfahrene Kameraleute sind in manchen Situationen dagegen durchaus in der Lage, mit nur einer Styroporplatte, einer Kamera und einem Kamerastativ geniale Bilder herzustellen. Alles ist relativ und man sollte sich für einen Erstling nicht finanziell ruinieren, nur weil irgendwer vollmundig teures Gerät verlangt. Es ist nichts Verwerfliches, wenn die Darsteller auch mal durch Schattenbereiche gehen, wenn sie an den wichtigen Stellen im Raum vernünftig ausgeleuchtet sind. Auch vorhandene Lichtquellen können als Scheinwerfer dienen, Reflektoren helfen, es umzulenken, Tischlampen, Deckenlampen, Tageslicht ohnehin.

 

Planspiele

Es klingt merkwürdig, aber neben kräftezehrenden "Da brauchen wir aber unbedingt"-Debatten sind Planungsfehler die zweiten großen Energiefresser bei Filmproduktionen. Wann man idealerweise welches Motiv dreht, wie viele Umzüge an einem Drehtag möglich sind und wann man für welche Lichtstimmung am Set bereit sein muss, gehören zu den wichtigen Fragen, die viel Kummer zu vermeiden helfen. Wenn man sein Team um 14 Uhr ans Set bestellt, um eine Außenszene bei Dunkelheit zu drehen, zwingt man ziemlich viele Menschen dazu, stundenlang rumzustehen und auf die Dunkelheit zu warten. Umgekehrt, wenn man das Team für eine Dämmerungsszene so knapp bestellt, dass die Dämmerung bereits beim Eintreffen einsetzt und man ganz gehetzt noch irgendwie die kurze Lichtphase nutzen will, leidet die Qualität. Die Zeiten für Sonnenauf- und Untergang kann man online präzise erfahren.

 

Auch so naheliegende Fragen wie jene, wo denn das Team und die Schauspieler zur Toilette gehen können, sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Drehs, bei denen man ein Fahrzeug als sogenannten Toiletten-Shuttle definiert und vorzugsweise Schauspieler bei Bedarf zu irgendwelchen Restaurant-Toiletten gekarrt hat, haben sich als nicht besonders entspannt erwiesen. Auch die Ernährungslage sollte unbedingt organisiert sein. Gerade wenn man früh am Set sein muss, können viele Zuhause gar nicht frühstücken. wenn dann nicht einmal warme Getränke und belegte Brötchen am Set sind, sinkt die Motivation der Teammitglieder und Schauspieler auf einen Minimalwert. Besonders unerfreulich sind auch nicht abgeklärte Motive - sei es, dass die Hausbewohner eines Motivs nicht informiert wurden und verärgert sind, dass im Treppenhaus alles vollgestellt ist, oder dass die Regie ein Motiv nicht gefällt und man mitten im Dreh ein Ersatzmotiv beschaffen muss.

 

Askese

Diverse professionelle Filme haben es vorgemacht: Man kann mit minimalem Geräteaufwand, kleinem Team und der Konzentration auf die Geschichte und deren Umsetzung Großartiges leisten. Es gibt sicher Filme, bei denen für bestimmte Szenen ein größerer technischer Aufwand unumgänglich ist, aber er hat nur einen Sinn, wenn es die Geschichte erfordert und wenn das Budget dafür da ist. Für alle anderen Filme kann es befreiend und die Energien bündelnd wirken, wenn man sich auf die Stärken von kleinen Videokameras beruft und nicht versucht, großes Kino zu imitieren. Geschichten, die durch ihre Kraft und Umsetzung überzeugen, können auch ohne Berge an Equipment ihren Weg ins Kino oder Fernsehen machen.

 

Neu im Shop

Kameraworkshop Banner 8 23 4000

Dokumentarfilm Kurs 4000 small

Mehr zum Thema

Weitere neue Artikel

Beeindruckende Aufnahmen an ganz besonderen Orten einfangen,- die besten Tipps für Naturfilmer und Naturfotografen

Ausgelaufene Batterien machen immer wieder Geräte oder Fernbedienungen unbrauchbar. Wir zeigen Euch, wie man sie wieder instand setzt

Wer eine inszenierte Szene im Vornherein planen möchte, kann dies in Form eines Floorplans tun. Wir erklären Euch, wie das funktioniert

Warum Hotels schon immer die Fantasie von Drehbuchautor*Innen angeregt haben und welche Welt-Klassiker in Hotels spielten...

Das Selbsterlebte in Form von Filmen zu verarbeiten verlangt Filmemacher*Innen manchmal sehr viel ab

Zu den heute gängigen Schauspiel Methoden gehört die Meisner Methode. Was steckt dahinter, was kann man damit bewirken?

Was bewirkt die weltberühmte Schauspiel-Methode, was sind ihre Stärken, wo liegen mögliche Schwächen?

Es ist ziemlich unübersichtlich, wo man welche Frequenzbereiche für drahtlose Tonübertragung verwenden darf. Wir lichten das Dickicht...

Kaum ein Sound-Geräte-Hersteller, der nicht seine neuesten Recorder auf 32 Bit aufrüstet. Was bedeutet es und braucht man das?

Serien und Reihen funktionieren über das Wiedererkennen von Personen. Doch was, wenn die Schauspieler unterwegs ausgetauscht werden?

Zu den großen Ton-Herausforderungen an Filmsets gehören sich überlappende Dialoge. Wie nimmt man sowas eigentlich auf?

Für Film, Fernseh und Theatereinsätze müssen häufig spezielle Requisiten gefertigt werden. Wer macht so etwas und was sind die Voraussetzungen für diesen Beruf?