Eden
Daten |
Eden 103 Min., Deutschland/Schweiz 2006 REGIE: Michael Hoffmann TON: Rudi Guyer DARSTELLER: Josef Ostendorf, Charlotte Roche, Devid Striesow, Max Rüdlinger, Leonie Stepp, Manfred Zapatka |
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Regie: Michael Hoffmann
Kinostart: 23. November 2006
Michael Hoffmann gibt sich gleich zu Beginn alle Mühe, den Zuschauer abzuschrecken. Angeekelt und doch fasziniert sieht man dem Meisterkoch Gregor (Josef Ostendorf) dabei zu, wie er seine "cucina erotica" zubereitet - ein wenig appetitliches Vergnügen, wird dabei doch unter anderem ein Tintenfisch mehr als nur liebevoll seiner finalen Aufgabe zugeführt. Aus dem Off philosophiert der zwischen Sozialautismus und Exzentrik schwankende Koloss über den Bauch als ganz spezielles Lebensgefühl.
Wirklich bei sich ist er nur in der Küche, in der er Abend für Abend für ausgewählte Gäste, die schlau genug waren, frühzeitig zu reservieren, wahre Meisterwerke kocht. In diese selbstgenügsame Lebensplanung platzt eines Tages die junge Kellnerin und etwas frustrierte Junghausfrau Eden (Charlotte Roche) mit ihrer kleinen Tochter Leonie, die mit Down Syndrom auf die Welt kam. Edens Mann Xaver (Devid Striesow) arbeitet als Animateur im elterlichen Kurhotel. Überhaupt ist der Schauplatz im Schwarzwald geprägt von kleinstädtischem Mief, genauen Wertvorstellungen und nachbarlicher Neugier. So verwundert es nicht, als sich langsam aber sicher ein Drama anbahnt, als sich Eden und Leonie mit dem wortkargen Koch anfreunden. Xaver sieht seinen Ruf und sein Glück gefährdet; sein Verlangen danach, den Status quo, so quälend er auch ist, aufrecht zu halten, lässt die Ereignisse schließlich aus dem Ruder laufen.
Nach spätestens einer Viertelstunde stellt man verblüfft fest, dass man den dicken Koch trotz aller Mühe, die sich Hoffmann gibt, tatsächlich auf einer schwer zu greifenden Ebene sympathisch findet. Ab diesem Moment ist es eine wahre Freude, dabei zuzusehen, wie sich die Freundschaft zwischen Gregor und Eden entwickelt - obwohl das meist nur auf der Basis von Blicken geschieht. Dank der hervorragenden Schauspielerführung von Michael Hoffmann wirken diese aber nie simpel oder belanglos, sondern drücken mehr aus, als jede Dialogzeile vermocht hätte. Charlotte Roche passt perfekt in diese Rolle und meistert ihr Schauspieldebüt wirklich passabel. Eine regelrechte Wucht hingegen ist Devid Striesow, der mit minimalen Veränderungen in der Mimik vom Musterschwiegersohn zum Psychopaten mutiert. Umso beängstigender ist dann mitzuerleben, wie der Kleinstädter plötzlich explodiert.
Insgesamt könnte man den Film als äußerst beeindruckendes Kammerspiel betrachten, wäre da nicht der Schluss des Films, bei dem Hoffmann versucht, ein Hollywoodtaugliches Finale zu setzen. Nach mehr als einer großartigen Stunde kleiner Gesten wirkt das enttäuschend deplaziert und hinterlässt einen bitteren Geschmack in einem ansonsten tadellosen Fünfsternemenü.
Gesehen von Johannes Prokop