Sie versprechen Gewichtsersparnis, sind teuer und empfindlich. Lohnen sich die Mehrausgaben und kann man mit ihnen genauso gut arbeiten wie mit Alustativen? Einige überraschende Erkenntnisse über Kohlefaser Stative...
Modernes Material
Professionelle Stative sind nicht billig, doch wenn man statt der Aluminium,- die Kohlefaser oder auch Carbon- genannte Variante wählt, geht es richtig ins Geld. Das, was in der Sportindustrie seit Jahrzehnten tonangebend ist, wofür Mountainbiker gut und gerne man 1000 Euro mehr auf den Ladentisch legen, gibt es bei Filmequipment natürlich auch.
Die Bezeichnungen sind unterschiedlich, doch gemeint ist eigentlich immer das Gleiche. Carbon-oder auch CF oder CFK Stative sind Kohlefaser-Stative. Hergestellt werden sie durch Schichten von mehreren Lagen Kohlenstoff-Fasern, also Textil, welche durch Epoxydharz (daraus werden auch Elektronikplatinen gefertigt) gehärtet werden.
Mountainbiker bekommen leuchtende Augen, wenn wieder ein neuer Carbonrahmen vorgestellt wird und sie zahlen gut und gerne auch den doppelten Preis um ein Bike mit 800 Gramm weniger Gewicht fahren zu können. Dabei nutzen sie neben der Gewichtsersparnis auch noch einen weiteren Effekt des Carbonaufbaus, nämlich eine gewisse Elastizität, also eine federnde und damit beim Mountainbiken gewünschte, dämpfende Wirkung. Da hier beim Fahrradfahren permanent Energie aufgewendet wird und man die Gewichtsersparnis insbesondere bei Steigungen in Form von Kraftersparnis spürt, macht in diesem Bereich der Einsatz von Kohlefaser durchaus einen Sinn.
Kohlefaserstative haben theoretisch eine gute Stabilität und sind besonders leicht. Außerdem signalisieren sie, dass man nur mit feinstem Equipment arbeitet. Und tatsächlich findet man sie in allen Stativgrößen, also für 75er, 100er und 150er Schalen. (Die Schale ist die Aufnahme oben am Stativ um den Schwenkkopf zu befestigen. 100 bedeutet 10 Zentimeter Durchmesser dieser Schale) Übrigens kann man viel Gewicht auch bei Alustativen einsparen, wenn man Stativ und Schwenkkopf nicht überdimensioniert. Oft reicht für leichtere Kameras auch ein Leichtstaiv mit 75er Schale.
Statik & Stabilität
Doch der Vorteil, dass sie leichter sind, bringt auch zugleich den Nachteil mit sich, dass sie wegen des geringeren Gewichts auch leichter umfallen können. Das hat etwas mit Statik und Gewichtsverteilung zu tun. Je dicker die Kohlefaserrohre sind, desto stabilder das Stativ,- aber leider auch desto geringer die Gewichtsersparnis.
Denn eigentlich sollte ein Stativ am Boden das größte Gewicht haben um sich zu stehen (bei Licht-Stativen beschwert man die Querstreben sogar mit Sandsäcken) und weiter oben weniger Gewicht. Bei den meisten Carbon-Stativen ist es genau umgekehrt, oben, dort wo die Schale ansetzt, sind die dicksten und damit auch schwersten Stativrohre während ganz unten die schmalsten und leichtesten Rohre verwendet werden. Um mit Kohlefaser ausreichende Festigkeit zu erzielen, sind die Stärken der Rohre in der Regel sogar höher als bei Aluminium, wodurch sich das Ungleichgewicht beim Gewicht noch mehr auswirkt. Die Schale selber und die Verbindungen zu den Kohlefaserbeinen sind in der Regel wegen der besseren Haltbarkeit aus Metall gefertigt, was das Gewicht am oberen Ende des Stativs zusätzlich erhöht.
Die Innenspinnen oder auch leichteren Bodenspinnen machen das Problem nicht kleiner. Eine vollständig aufgeriggte Cine-Kamera ist da eigentlich schon zu schwer, um verwindungsfrei und vor allem auch Sturzsicher arbeiten zu können.
Die bei den Mountainbikern so sehr geschätze federnde Wirkung von Kohlefaser hat bei einem Stativ eigentlich nichts zu suchen. Gerade wenn so ein Stativ vollständig ausgefahren ist und man vielleicht noch eine hohe Dämpfung beim Fluid-Schwenkkopf eingestellt hat, kann es durchaus sein, dass beim horizontalen Schwenken durch die Hebelwirkung des Schwenkarms erst einmal die Stativbeine ein wenig nachgeben, bevor die eigentliche Schwenkwirkung des Kopfes einsetzt.
Auf Grund dieser Eigenschaften sollte man bei Kohlefaserstativen noch mehr als bei Alustativen darauf achten, die Basis wenigstens maximal zu verbreitern, alo die Spinne auf Maximum ausfahren und nach Möglichkeit noch mit einem Sandsack zu beschweren. Dann können weder Wind noch unachtsame Menschen das Stativ samt Kamera zum Kippen bringen. Manche Stative besitzen auch Haken, an die man etwa Akkus etc. anhängen kann, auch das hilft, zur Stabilität beizutragen.
Zweckmäßigkeit
Kohlefaser ist hip und modern,- ist sie auch immer sinnvoll? Insgesamt stellt sich natürlich die Frage, was bei einem Kameraaufbau von mindestens 10-12 Kilogramm, eine Gewichtsersparnis von vielleicht 600 Gramm bringen soll, wenn dafür sogar Abstriche hinsichtlich der Stabilität machen muss.
Zugegeben, rein von der Fertigungstechnik betrachtet ist es sicherlich eine beachtliche Ingenieursleistung, bei einem Stativ durch Verwendung von Kohlefaser für die Stativbeine etwas Gewicht einzusparen. Auch bei Kälte ist Kohlefaser weitaus weniger kalt beim berühren, als Aluminium, für Winterdrehs also durchaus ein Faktor. Was aber gerne übersehen wird,- hochwertige Hydro-Schwenkköpfe sind schwer und nicht aus Kohlefaser gefertigt. Die Gewichstersparnis bei den Stativbeinen, die nur zwischen 10,- und 20% ausmacht, also oft nur 300-600 Gramm weniger an Gewicht bedeutet, verliert sich bei schwerem Schwenkkopf und Kameraequipment in Anbetracht des Gesamtgewichts weitgehend. Man sollte sich also gut überlegen, ob ein Aufpreis von ca. 60% gegenüber Aluminiumstativen wirklich lohnt.
Aus diesem Grund sind Kohlefaser-Stative eigentlich vor allem dort zu empfehlen, wo es wirklich auf jedes Gramm ankommt. Dort, wo man vielleicht mit einer sehr kleinen, leichten Kamera wie etwa der Blackmagic Pocket und einem entsprechend kleinen Stativ mit 75er Schale lange Wege oder gar Gipfel zu Fuß bewältigen muss. Hier spielen die Kohlefasern auch wirklich ihre Vorteile aus.