
Wie Arri im Jahr 1937 das Filmemachen und den analogen Kinofilm durch die erstmals verfügbare Spiegelreflextechnik revolutionierte und weltweit Aufsehen erregte. Es waren einfache Holzkameras mit Luftbildsucher und später aus Metall mit denen die frühen Filme gedreht wurden. Bei manchen konnten die Kameraleute, unter einem schwarzen Tuch vor Licht geschützt durch eine winzige Sichtöffnung durch das zu belichtende Filmmaterial schauen um schemenhaft die Aufnahmen zu sehen.
Kein Wunder also, dass überall auf der Welt Kameraleute davon träumten, ohne die räumliche Trennung von Sucher und Bildfenster, also ohne Paralaxe (das ist der optische Unterschied von Sucherbild und Kamerabild) hell und deutlich ihr Bild beurteilen zu können. Diesen Traum ließ die Münchner Firma Arnold & Richter und vor allem ihr junger Chefkonstrukteur Erich Kästner 1937 wahr werden.
Arri 35 II

Erich Kästner dem Chefkonstrukteur der Firma Arnold und Richter, gelang 1937 eine technische Revolution- die erste Spiegelreflex Filmkamera der Welt. Seine Erfindung war die verspiegelte Umlaufblende, die es möglich machte, im Lauf und im Stand der Kamera genau das Bild, welches auch auf den 35mm Film aufgenommen wurde, im Sucher zu betrachten. Die Grundidee der rotierenden Umlaufblende war zumindest in der Theorie nicht neu, doch die Umsetzung, zudem in einer aus der Hand zu bedienenenden kompakten 35 mm Kamera war eine Herausforderung. So lief die verspiegelte Umlaufblende nicht präzise genug, es fehlten die geeigneten Kugellager. Die Entwicklung pausierte, wurde wieder aufgenommen, als 1936 präzisere Kugellager verfügbar waren.
Neben dem Spiegelreflexsucher soll die Kamera einen Objektivrevolver haben, um mehrere Festbrennweiten (sogenannte Primes) schnell wechseln zu können. Zoomobjektive existierten noch nicht. Und die Kamera sollte einen Elektromotor besitzen. Diese Konzeption wurde erstmals in der Arri IIa verwirklicht und auf der damaligen Leipziger Frühjahrsmesse vorgestellt. Sie war hell lackiert und der Motor unter der Kamera war rund und befand sich unter der Kamera. Über die Sucherlupe konnte man auf einer Mattscheibe ein seitenrichtiges, aufrechtstehendes Bild betrachten. Der Gamechanger für die Kameraleute.

Ab 1938/39 gab es die Kamera in Stückzahlen und die meisten Exemplare wurden vom Militär gekauft um Propagandafilme damit zu drehen. Leni Riefenstahls Olympiafilm entstand früher und wurde noch nicht mit Arriflexkameras gedreht. Aber die meisten Aufnahmen für die NS-Wochenschauen entstanden mit dieser Kamera, gedreht von in nur wenigen Wochen nach einer Grundeinweisung zu Kriegskameraleuten umgewidmeten Soldaten.
Nach und nach wurden immer neue Erweiterungen und Verbesserungen für die Arri 35 II a hergestellt unter anderem 1954 ein riesiger Blimp für Tonfilmaufnahmen. Der machte die Kamera unhandlich, aber leise. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Kamera zur Grundlage des deutschen Nachkriegsfilms, vor allem im Dokumentarfilmbereich und nach der Einführung des größeren Blimps (300) auch im Spielfilmbereich. Bis 1972, der Einführung der selbstgeblimpten Arri BL war die Arri 35 II C mit großem Blimp die meistverwendete Spielfilmkamera in Deutschland.
Arri 35 II B & 35 II C

Ab 1960 gar es dann das weiterentwickelte Modell die Arri II B und ab 1964 die Arri II C. Die Kameras sind mit Pilotton-Generatoren ausgestattet, welche es erlauben, separate Tonband oder Perfobandgeräte zu synchronisieren, ausgestattet. Sie waren ungemein handlich und vergleichsweise leicht für 35 mm Kameras und kamen selbst mit widrigsten Wetterbedingungen zurecht. Außerdem waren sie preiswerter als die US- Amerikanischen Kameras von Mitchell- oder Panavision und konnten Anamorphotische Objektive (Cinemascope) nutzen. Mit veränderten Schrittschaltwerken konnte man auch ich Techniscope, also mit 2 Perforationslöchern Bildtransport drehen, was Filmmaterial einsparte.
Mit diesen Kameras wurde nicht nur Mainstream, sondern vor allem auch der "Neue Deutsche Film" nach dem Oberhausener Manifest gedreht. Ganz gleich, ob Alexander Kluge, Werner Herzog, Volker Schlöndorf, Peter Schamoni, Maximiliane Mainka, oder Wim Wenders, sie alle haben damals mit dieser Kamera gearbeitet. Und auch außerhalb Deutschlands wurde die handliche, kompakte 35mm Kamera sehr geschätzt. So wurde sie in den 60ern/70ern zum Standard bei vielen europäischen Autorenfilmern. So drehte Rainer Werner Fassbinder viele seiner Filme mit Arri IIC-Kameras. Werner Herzog – drehte damit u.a. „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972) und Volker Schlöndorff verwendete sie für "Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1975).

Ab Anfang der 70er Jahre bot ein früherer Arnold & Richter Mitarbeiter, Peter Denz eine Schwarz-Weiß-Videoausspiegelung für die Arriflex II C an. Damit konnte erstmals über einen Beamsplitter ein schwarzweißes Sucherbild auf einen Videomonitor ausgegeben werden. So konnte nicht nur die Person an der Kamera, sondern auch andere Teammitglieder das gedrehte Bild sehen.
Überhaupt entwickelte sich rund um die Arri-Kameras in München auch eine breite Palette an Kamera-Zubehörherstellern. Viele der auch heute in der Filmindustrie wichtigen Anbieter wie Chrosziel, Denz, Sachtler etc. haben mit Zubehörteilen für Arris Kameras begonnen. Durch ihre Modularität konnten viele Elemente wie die Mattebox, der Sucher oder auch der Motor durch Entwicklungen von Drittanbietern weiter optimiert werden.

Arri 35 III C
1986 dann wurde die Arri 35 III C angeboten, mit PL-Fassung für die Kino-Objektive und einem Quarzmotor ein deutlicher technischer Fortschritt. Kinofilme wie Wolfgang Petersens „Das Boot“ (D 1980) werden wegen der Enge des U-Boot Filmsets zum Teil auf dieser Kamera (Jost Vacano) gedreht. Bis heute ist die ARRI II C und die III C die wohl beste und zuverlässigste Handkamera für 35 mm geblieben. Die Kameras laufen noch heute zuverlässig.
Filme mit der Arri II C & Arri III C
Häufig wurde die II C und die III C für bewegliche Szenen, also mit Handkamera etc. verwendet. Hier nur eine kleine Auswahl der bekanntesten Filme.
- Nahezu alle James-Bond-Filme der 60er/70er (z. B. "Goldfinger“, "Thunderball“) setzten die Arri II C für Action- und Handkamerasequenzen ein.
- "8½" (Regie: Federico Fellini, Kamera: Gianni Di Venanzo, IT 1963) Komplett mit der Arri II C
- "The Good, the Bad and the Ugly" (Regie: Sergio Leone, Kamera: Tonino Delli Colli, IT 1966) Arri II C
- "The Graduate" (Regie: Mike Nichols, Kamera: Robert Surtees, USA 1967)
- "Easy Rider“ (Regie: Dennis Hopper, Kamera: László Kovács, USA 1969) – viele Handkameraaufnahmen
- "Rocker“ (Regie: Klaus Lemke, Kamera: Bernd Fiedler, D 1970)
- "A Clockwork Orange" (Regie: Stanley Kubrick, Kamera: John Alcott, GB 1971) Arri II C
- "The French Connection" (Regie: William Friedkin, Kamera: Owen Roizman, USA 1971) Komplett mit Arri II C
- "Live and Let Die" / James Bond 007 (Regie: Guy Hamilton, Kamera: Ted Moore, USA GB, 1973)
- "The Man with the Golden Gun" / James Bond 007 (Regie: Guy Hamilton, Kamera: Ted Moore, Oswald Morris, USA GB 1974) Actionszenen mit Arri II C
- "The Sugarland Express" (Regie: Steven Spielberg, USA, 1974) Arri II C
- "Barry Lyndon“ (Regie: Stanley Kubrick, USA 1975) – Gemeinsam mit anderen Arri-Kameras für einige beweglichere Szenen eingesetzt.
- "Taxi Driver“ (Regie: Martin Scorsese, DoP: Michael Chapman USA 1976) – Die II C wurde für die beweglichen, engen Shots verwendet.
- "Rocky“ (Regie: John G. Avildsen, USA 1976) – Handkamera in den Boxkämpfen - der Kameramann Garrett Brown mit Steadicam + Arriflex II C
- "Star Wars: A New Hope“ (Regie: George Lucas, USA 1977) – Die IIC wurde bei Second-Unit und Trick-Effektszenen eingesetzt.
- "The Deep" (Regie: Peter Yates, Kamera: Christopher Challis, USA 1977) Komplett mit der Arri II C
- "Apocalypse Now“ (Regie: Francis Ford Coppola, USA 1979) – Teile der Schlachtszenen wurden mit der IIC gedreht
- "The Shining“ (Regie: Stanley Kubrick, USA 1980) – die legendären Steadicam-Shots (Garrett Brown) wurden mit einer Arriflex 35 IIC aufgenommen, sie war leicht genug für die frühe Steadicam.
- "Raiders of the Lost Ark" (Regie: Steven Spielberg, USA 1981) Arri II C
- "Fitzcarraldo" (Regie: Werner Herzog, Kamera: Thomas Mauch, D 1982) Arri II C und Arri III BL
- "Koyaanisqatsi" (Regie: Godfrey Reggio, Kamera: Ron Fricke, USA 1982) Arri 16 und Arri 35 II C
- "Star Wars: Episode VI – Return of the Jedi" (Regie: Richard Marquand, Kamera: Alan Hume, Alec Mills, USA 1983) Action,- und Trickszenen mit der Arri II C
- "Home Alone" (Kevin allein Zuhaus) (Regie: Chris Columbus, Kamera: Julio Macat, USA 1990) Gedreht auf Arri II C und Arri BL IV
- "Terminator 2: Judgment Day" (Regie: James Cameron, Kamera: Adam Greenberg, USA 1991)
- "GoldenEye" (Regie: Martin Campbell, 1995) Actionszenen
- "The Fifth Element" (Regie: Luc Besson, Kamera: Thierry Arbogast, USA 1997)
- "The Big Lebowski" (Regie: Joel Coen, Ethan Coen, Kamera: Roger Deakins, USA 1998) Arri 535 & Arri II C
- "Monster’s Ball" (Regie: Marc Forster, USA 2001)
- "The Lord of the Rings: The Return of the King" (Regie: Peter Jackson, Kamera: Andrew Lesnie, USA 2003) Actionszenen
- "The Day After Tomorrow" (Regie: Roland Emmerich, Kamera: Ueli Steiger, USA 2004)
- "Jarhead" (Regie: Sam Mendes, USA 2005)
- "Transformers" (Regie: Michael Bay, Kamera: Mitchell Amundsen, USA 2007) Actionszenen mit der Arri II C
- "Fish Tank" (Regie: Andrea Arnold, Kamera: Robbie Ryan, GB 2009) Die vielen Handkameraszenen wurden mit der Arri II C gedreht.
- "The Invisible Woman" (Regie: Ralph Fiennes, USA 2013)
- "The Mutineer" (Regie & Kamera: John Jaquish, 2017) Arri 35 BL III und Arri II C
- "A Quiet Place" (Regie: John Krasinski, Kamera: Charlotte Bruus Christensen, USA 2018) Gedreht mit Arriflex 235 und Arriflex II C

Diese Liste bildet nur einen kleinen Ausschnitt all der Filme ab, die mit diesen Kameras gedreht wurden. Heutzutage werden die Arri II C und die III C wenn analog gedreht wird, nur noch als Crash-Cam, als Spezialkamera oder für experimentelle Projekte verwendet. Oder aber von Indie-Filmern, die bewusst analog arbeiten wollen und von manchen Werbe- oder Musikvideoproduzenten die den analogen Look bewusst setzen möchten. Wer eine besitzt, kann auch heute noch mit den ikonischen Kameras drehen,- so robust und zuverlässig wurden sie gefertigt.
Eine großartige Firmen,- und Kamerageschichte zu Arnold & Richter findet Ihr unter anderem auf der Seite von Kameramann, Fotograf und Autor Hans Albrecht Lusznat: https://www.lusznat.de/cms1/kinomuseum-muenchen/die-arriflex-story





